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Zielgruppenanalyse

Zielgruppenanalyse

Im Idealfall werden bereits vor Beginn des Dokumentationsprozesses die Zielgruppe analysiert und ihre Vorkenntnisse festgestellt. Eine Zielgruppenanalyse kann den Dokumentationsaufwand senken, da einige Themen komplett wegfallen können, wenn sie für die Zielgruppe nicht relevant sind.

Erste Schritte

  • Mögliche Zielgruppen auflisten.
  • Vor- und Fachwissen jeder Zielgruppe recherchieren.
  • Die Einschätzungen und Annahmen verifizieren, z. B. durch Befragung von Personen, die sich mit der Zielgruppe auskennen oder selbst dazugehören.

Umsetzung anhand einer Was-macht-wer-Matrix

Die Verifizierung anfänglicher Annahmen kann z. B. durch Verwendung einer Was-macht-wer-Matrix erfolgen. Sie verdeutlicht, welche Zielgruppe welche Handlung mit dem Produkt durchführt. Nach einem Abgleich des vorhandenen Vorwissens mit den benötigten Fähigkeiten zeigt sich, welche Wissenslücken die Technische Redakteur*innen füllen muss und wo eine weniger ausführliche Beschreibung ausreicht.

Beispielhafte Was-macht-wer-Matrix für einen Gas-Brennwertkessel 

Wer macht es? 

Was soll  gemacht werden? 

Endnutzer*in  Installateur*in  Service-Techniker*in 
Abgasrohr montieren   

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Temperatursensoren anschließen   

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Wasser in die Heizungsanlage (nach)füllen 

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Heizungsanlage entlüften 

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Vorlauftemperatur einstellen 

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Raumtemperatur einstellen 

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Umschalten zwischen Winter-/ Sommerbetrieb  

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Hauptplatine tauschen     

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Im oben abgebildeten Beispiel wird z. B. deutlich:

  • Die Heizungsanlage wird auch von Endbenutzer*innen entlüftet. Hier sind die einzelnen Handlungsschritte genau zu beschreiben.
  • Das Anschließen der Temperatursensoren hingegen wird nur von Installateur*innen durchgeführt. Da bei dieser Zielgruppe von fundierten Vorkenntnissen auszugehen ist, muss das entsprechende Verfahren weniger ausführlich beschrieben werden als für Endbenutzer*innen.
  • „Hauptplatine tauschen“ muss überhaupt nicht im Handbuch für Endbenutzer*innen beschrieben werden, da diese Handlung nur von Servicetechniker*innen ausgeführt werden darf. Stattdessen muss ggf. ein separates Wartungshandbuch erstellt werden.

Zielgruppenanalyse durch „Personas“

Durch Verwendung von Personas kann es Redakteur*innen leichter fallen, sich in eine mögliche Zielgruppe hineinzuversetzen. Jede Zielgruppe wird bei dieser Methode durch möglichst lebendig wirkende fiktive Stellvertreter*innen (= Persona) repräsentiert.

Hierzu werden 2 bis 4 Steckbriefe erstellt. Für jede Person werden spezifische Tätigkeiten, Verhalten und Beweggründe festgelegt. Um sie anschaulicher zu gestalten, werden diesen fiktiven Personen auch Namen, Alter und Lebensumstände zugeschrieben. Die Eigenschaften der Personas sollten möglichst unterschiedlich sein, um einen möglichst großen Bereich der Zielgruppe abzudecken. Gleichzeitig dürfen sie aber nicht zu individuell sein, damit sie noch als Stereotypen für die gesamte Zielgruppe funktionieren.

Beispiel für einen Steckbrief:

Thomas (28) ist Elektroinstallateur. Er ist nicht verheiratet, hat aber eine 4 Jahre alte Tochter, die er wegen verkürzter Kita-Öffnungszeiten rechtzeitig abholen muss. Er wohnt seit 5 Jahren in einer Mietwohnung in Waldrandnähe. Das Auto ist abbezahlt und er hat keine Schulden. In seiner Freizeit treibt er viel Sport, spielt mit seiner Tochter und übernimmt handwerkliche Aufgaben im Familienkreis.

Diese Steckbriefe dienen dazu, dass Technische Redakteur*innen sich beim Schreiben der Dokumentation leichter auf die jeweilige Zielgruppe einstellen können. Im besten Fall konzentrieren sie sich dann nicht mehr vorrangig auf die Inhalte, sondern auf die späteren Leser*innen und deren Bedürfnisse.

Nachträgliche Überprüfung mit Usability Tests

Zusätzlich können sogenannte Usability Tests der fertigen Dokumentation durchgeführt werden. „Usability“ ist das englische Wort für Gebrauchstauglichkeit und bedeutet im Zusammenhang mit Technischer Dokumentation, dass Nutzer*innen sich mithilfe der Dokumentation schnell mit dem Produkt vertraut machen und es sicher und fehlerfrei nutzen kann. Gleichzeitig bezieht sich der Begriff auch auf eine gewisse Zufriedenheit, die Nutzer*innen im Umgang mit dem Produkt und der Dokumentation erleben soll.

Zur Überprüfung dieser Punkte wird die Anleitung durch einige Vertreter der Zielgruppe(n) verwendet. Anhand des Feedbacks kann der/die Technische Redakteur*in dann nachbessern.

Zielgruppen mit besonderen Anforderungen

Wenn Produkte für die Nutzung durch Zielgruppen mit besonderen Anforderungen bestimmt sind, müssen Gebrauchsanleitungen dies berücksichtigen. Zielgruppen mit besonderen Anforderungen sind zum Beispiel:

  • ältere Menschen,
  • Kinder oder andere Personen, die ohne Aufsicht nicht in der Lage sind, das Produkt sicher zu nutzen,
  • Menschen mit Behinderungen,
  • Erwachsene, die Kinder beaufsichtigen,
  • funktionale Analphabeten.

Zielgruppen ändern sich

Leider ist eine Zielgruppenanalyse nicht für alle Zeiten verbindlich. Durch neue Verfahren und Weiterentwicklungen im technischen Bereich können sich Zielgruppen und ihre Vorkenntnisse schnell ändern. Daher muss immer wieder geprüft werden, ob die bisher angenommene Zielgruppe noch aktuell ist oder angepasst werden muss.